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Remixer #47 Martin Butz: „Ein sehr grundsätzliches kulturelles Konzept“

In der Serie “Remixer/in” geht es um Menschen und ihre Erfahrungen und Einstellungen zum Thema Remix und Remix-Kultur. Dieses Mal: Der Autor und Coach Martin Butz (HFK Bremen)

Martin Butz

Martin Butz

Martin Butz arbeitet als Coach, Autor für das Radio, bloggt ab und an auf mkblog.org und unterrichtet von Zeit zu Zeit als Lehrbeauftrager, zuletzt an der HFK Bremen.  Parallel dazu ist er für ein IT-Unternehmen im Bereich Lernen via Internet und Personalentwicklung in Ulm tätig: als Projektmanager, Designer und auch im Marketing.

Du hast für den Deutschlandfunk ein Feature zum Thema „Pop will eat itself – Vom Musikmachen mit Musik: Remix, Plagiat und Copyright“ erarbeitet, das am 16.11.2014 ausgestrahlt wird. Worum geht es?

Ich beschäftige mich schon seit einigen Jahren mit dem, was man Remix-Theorie nennen könnte. Mich interessieren verschiedene Fragen in diesem Umfeld. Z.B. wie funktionieren Kreativität und kulturelle Fortschreibung? Was ist dran an dem Schlagwort „Everything is a remix“? Welche Formen der kreativen Aneignung gibt es? Da ich früher viel Musik gemacht habe und auch die Musikwissenschaft mir nicht fremd ist, lag es nahe, einmal das zu untersuchen, was landläufig und oft vorschnell als musikalisches Plagiat bezeichnet wird. Der „New Grove Dictionary“, die Standardreferenz der Musikwissenschaftler, enthält übrigens keinen eigenständigen Artikel zum Thema „plagiarism“. Allerdings einen sehr umfangreichen mit dem Titel „borrowing“. Dies ist schon ein deutlicher Hinweis darauf, dass musikalische Übernahmen, Referenzen und Aneignungen mit Klauen meist wenig zutun haben. Vielmehr handelt es sich um ein sehr grundsätzliches kulturelles Konzept.  Im Feature lag es mir am Herzen, diese These hörbar zu machen; so gut das eben in knapp einer Stunde möglich ist, ohne wissenschaftlich trocken und pädagogisch belehrend zu werden. Der rechtliche Aspekt spielt meist eine Rolle, wenn es ums Geld geht, oder anders gesagt: Seitdem Musik kommodifiziert wird.

Was macht für Dich einen guten Remix aus?

David Cope, amerikanischer Komponist und Ex-Musikprofessor, definiert Kreativität sinngemäß als die Fähigkeit, vorhandene Dinge miteinander in Beziehung zu setzen, die bislang noch nicht verbunden waren. Das beschreibt ziemlich genau, was ein Remix leisten sollte, damit ich diesen gut finden kann. Auf die Musik übertragen, heisst das beispielsweise, dass eine solche Kombination von Bekanntem eben durch die Verbindung neue Facetten des Materials aufscheinen lässt. Natürlich liegt das im Auge des Betrachters bzw. im Ohr des Hörers. Es ist eine Geschmacksfrage. Aber auch eine von Wissen und Erfahrung in ästhetischen Dingen. Ein guter Remix erzählt etwas Neues, während er gleichzeitig die Geschichte wiederaufleben läßt.

Auf welche Weise verwendest Du selbst Werke Dritter?

1. Ständig. Es gibt keine Schöpfung aus dem Nichts. Jedenfalls nicht bei mir.

2. Hoffentlich immer, indem ich den Vorgängern den entsprechenden Respekt erweise.

3. Als Anfangspunkt, als Inspiration, als Leiter zur Individualität.

Wurdest Du schon einmal abgemahnt oder hattest rechtliche Probleme wegen Deiner künstlerischen Tätigkeit? Und sonst?

Nicht direkt Probleme, aber eine interessante Erfahrung. Im letzten Jahr habe ich mit meinem guten Freund und Kollegen Fabian von Freier ein Hörstück mit dem Titel „Sammelsurium. Man kann nicht nicht zitieren“ für den Deutschlandfunk (DLF) gemacht. Wir haben ein Gespräch über Gott und die Welt, den Kapitalismus, die Moral und das Essen und Fressen zwischen unterschiedlichen Personen fast vollständig mit Zitaten realisiert: Zitate aus wissenschaftlichen und belletristischen Werken, Zeitungen, Rundunk und dem Internet. Die Rechtsabteilung des DLF wusste damit zunächst nichts anzufangen. Das war Neuland. Vom Zitatrecht wurde das definitiv nicht abgedeckt, da das neue Werk nicht nur zitierte, sondern nahezu vollständig aus Zitaten bestand. Also begannen wir, jeden der Zitierten anzuschreiben und nachzufragen, ob wir das so verwenden dürfen. Ich habe dabei einiges über die Konsolidierung im Verlagsgewerbe erfahren. Wir wurden beispielsweise von einem Verlag an den nächsten verwiesen, nur um nachher festzustellen, dass der letzte in der Kette doch wieder zu Random House gehört. Am Ende wurde uns klar: Ein solches Feature – also ein solcher Remix – ist nicht möglich, wenn man jeden der Zitatgeber fragen muss. Der organisatorische Aufwand ist viel zu groß, auch wenn wir in vielen Fällen eine kostenfreie Verwendung erreichten. Lange Rede, kurzer Sinn: Am Ende fand die Rechtsabteilung im DLF heraus, dass wir das ganze über die VG Wort abrechnen können. In unserem Fall reichten also die bestehenden Konstruktionen rund um das Urheberrecht aus. Allerdings mussten wir das erst herausfinden. Und im Musikbereich sieht das ganz anders aus.

Was hältst Du von der Idee, ein vergütetes Recht auf Remix einzuführen?

Das halte ich für eine sehr gute Idee. Ich finde den Ansatz von Kawohl und Kretschmer ganz interessant, wo versucht wird, die bislang üblichen Kategorien zur Beurteilung von Urheberrechtsstreitigkeiten an die Bedingungen einer digitalen Ökonomie anzupassen. Ganz klar ist und bleibt: Zu Übernehmen ohne die Quellen zu benennen ist unmoralisch und schädlich. Genauso schädlich ist es jedoch, wenn Kreative sich bei der Arbeit mit dem Material ständig auf von großen Unternehmen vermintem Gebiet bewegen.

Zum Abschluss, was ist Dein persönlicher Lieblingsremix?

Schwere Frage. Ich habe bei den Recherchen zum Feature die Radiosendungen von „Some Assembly Required“ entdeckt. Über 260 jeweils einstündige Sendungen voller ‚Collage Art‘. In der ersten Sendung wird vor allem ‚religiöses Material‘ verwurschtet. Ich mag besonders „Truckloads of bibles“ von Lecture on Nothing und die Tape Beatles mit „The Law of Repetition“.

 

„Pop will eat itself.“ Vom Musikmachen mit Musik. Remix, Plagiat und Copyright, ein Feature von Martin Butz am 16.11.2014 um 20.05 Uhr im Deutschlandfunk.



Georg Fischer in Interview
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