Was versteht ihr unter Remix und Remixkultur?
Remix bedeutet, dass das ursprüngliche Werk im neuen Werk deutlich erkennbar ist bzw. bleibt. Remixkultur meint die massenhafte Verbreitung von transformativen und kreativen Werknutzungspraktiken in der digitalen Gesellschaft. In den Worten des Creative-Commons-Erfinders und Rechtswissenschaftlers Lawrence Lessig heißt das: Remixkultur zeichnet sich durch die Ablösung der konsumorientierten Read-only-Kultur hin zur aktiv-kreativen Read/Write-Kultur aus.
Aber die allermeisten Remixes sind doch Mist?
Das stimmt.
Sturgeons Gesetz zu Folge ist 90%
von allem Mist.
Was ist derzeit Stand und was soll sich ändern?
Das derzeitige Urheberrecht drängt Remixkultur in die Illegalität. Die komplizierte Rechtslage und die Kosten für Rechteabklärung erschweren Kreativität im Internet und verhindern, dass Kunstschaffende für die Nutzung ihrer Werke angemessen vergütet werden. Mit der Kampagne „Recht auf Remix“ kämpfen wir dafür, die rechtlichen Voraussetzungen für eine vielfältige Remixkultur und faire Vergütung für Kreative zu schaffen. Unser Ziel ist Remixkultur zu erlauben und zu vergüten.
»Der EU-Urheberrechtskorpus lässt viel mehr Raum für Flexibilität als die abgeschlossene Liste an zulässigen Beschränkungen und Ausnahmen nahelegen würde.«
— Bernt Hugenholtz und Martin Senftleben
Warum muss das Urheberrecht geändert werden? Würden einfachere Lizenzierungsmöglichkeiten nicht ausreichen?
Einfache Lizenzierung ist wichtig – reicht aber für eine lebendige Remixkultur nicht aus. Für den alltäglichen Gebrauch ist die Forderung nach Lizenzklärung lebensfremd, denn das Teilen des Videos von der Geburtstagsparty mit geschützter Hintergrundmusik wäre weiterhin illegal. Und auch wo Lizenzklärung eine Option ist, kann selbst für kleinste Teile die Zustimmung verweigert werden. Das führt zu der absurden Situation, dass im Musikbereich bloße Nachahmung („Covern“) dank Zwangslizenzen erlaubt ist, kreativer Remix jedoch unterbunden werden kann.
Muss für ein Recht auf Remix das EU-Recht geändert werden?
Für ein umfassendes Recht auf Remix ist eine Änderung der EU-Urheberrechtsrichtlinie erforderlich. Doch auch auf nationaler Ebene lassen sich beispielsweise im Rahmen des Zitatrechts oder der freien Benutzung (in Deutschland
§24 UrhG) Remixrechte verankern. Auf diese Weise bestünden weitergehende Möglichkeiten existierende Werke in neue Werke zu integrieren.
Wie lässt sich ein Recht auf Remix mit dem Urheberpersönlichkeitsrecht verbinden?
Es stimmt, dass ein Recht auf Remix eine Reform des Urheberpersönlichkeitsrechts erfordert. Das Recht, Fortschöpfungen durch Dritte grundlos verbieten zu können, müsste auf wenige, klar begrenzte Fälle eingeschränkt werden. Unberührt von einem Recht auf Remix blieben klarerweise bestehende Verhetzungs-, Verunstaltungs- und Wiederbetätigungsverbote sowie Persönlichkeitsrechte außerhalb des Urheberrechts. Ebenfalls problemlos vereinbar mit einem Recht auf Remix wären das Veröffentlichungsrecht (§12 Urhg) oder das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft (§13 Urhg).
Können mit einem Recht auf Remix dann auch Nazis meine Werke verfremden und für ihre Botschaft einspannen?
Der Einwand, Werke könnten dann auch in neonazistischen Kontexten verwendet werden, wird bisweilen vor allem in Deutschland und Österreich von Seite der Kunstschaffenden gegen die Einführung eines allgemeinen Rechts auf Remix vorgebracht. Dem können wir jedoch drei Punkte entgegensetzten:
- Die befürchtete Nutzung in neonazistischen Kontexten ist in der Regel mehr als hypothetisch denn tatsächlich praktische zu verstehen.
- Für den unwahrscheinlichen Ernstfall bleiben jedoch bestehende Verhetzungs- und Wiederbetätigungsverbote von einem Recht auf Remix unberührt.
- Und wenn alle Stricke reißen, handelt es sich wahrscheinlich um einen Fall, auf den das Voltaire zugeschriebene Zitat von S.G. Tallentyre passt: „Ich missbillige, was du sagst, aber würde bis auf den Tod dein Recht verteidigen, es zu sagen.“
Aber ist nicht Creative Commons die Lösung für das Remix-Problem?
Prinzipiell ist Creative Commons eine gute Option, um anderen den Remix der eigenen Werke zu erleichtern. Ein gesetzliches Recht auf Remix kann Creative Commons aber jedoch aus einer Reihe von Gründen nicht ersetzen:
- der Pool an Werken, die zum Remix zur Verfügung stehen, wäre auf Creative-Commons-lizenzierte Werke beschränkt. Und obwohl die Zahl derart lizenzierter Werke ständig wächst, handelt es sich dabei nur um einen kleinen Bruchteil aller Werke.
- viele Kunstschaffende, die Mitglied von Verwertungsgesellschaften wie z.B. der GEMA sind, dürfen keine einzelnen Werke unter Creative Commons veröffentlichen.
- Zentrales Merkmal der Remixkultur ist die transformative und kreative Nutzung von Artefakten der Mainstream-Kultur, die in der Regel gerade nicht unter Creative Commons veröffentlicht werden.
Und wie ist das mit "Fair Use"?
Einer der Hauptgründe dafür, warum wir überhaupt ein "Recht auf Remix" fordern, ist das Fehlen eines euopäischen Pendants zur
Fair-Use-Regelung im US-Copyright. Fair Use ist eine allgemeine Ausnahme vom urheberrechtlichen Schutz, die unabhängig von der Art des verwendeten Werkes ist und vor allem darauf abstellt, ob durch die Nutzung die herkömmliche kommerzielle Verwertung gestört wird. Diese allgemeine Formulierung ist viel flexibler als der abgeschlossene Katalog mit Schrankenregelungen in Europa, vor allem wenn es um die Nutzung neuer technologischer Möglichkeiten geht. Ein schönes Erklärvideo zu Fair Use, das selbst auf Fair Use basiert, wurde vom Center for Internet and Society der Stanford University erstellt:
Wenn die Initiative "Recht auf Remix" für die Einführung einer allgemeinen "Bagatellschranke" eintritt, dann geht es genau darum, auch das europäische Urheberrecht ähnlich flexibel wie das US Copyright zu machen. Im Unterschied zum völlig vergütungsfreien Fair Use halten wir aber eine angemessene Pauschalvergütung bei der Einführung einer solchen Bagatellschranke für durchaus vertretbar.
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