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Remixer #16 David Schwertgen: „Eine Bagatellschranke fände ich super“

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David Schwertgen aka Subliminal_Kid

In der Serie “Remixer/in” erzählen Menschen über ihre Erfahrungen und Einstellungen zum Thema Remix und Remix-Kultur. Dieses Mal: David Schwertgen.

David Schwertgen aka Subliminal_Kid ist freier Autor und Regisseur und lebt in Berlin. Er drehte für ARTE Creative die Serie Collage culturel über Remix und Collage und bloggt auf realvinylz.net. Außerdem schreibt er derzeit an seinem zweiten Roman, der u.a. auch Cut-Up-Techniken benutzt.

Wie bist Du zur Musik und zur Kunst gekommen?

Ich bin diplomierter Photoingenieur und Medientechniker, also von Beruf wegen ein Techniknerd, verstehe mich aber mittlerweile als Künstler. Eine der ersten Platten, die ich als Teenager gehört habe, war „Beat Dis“ vom Bomb The Bass. Ich habe erst ein paar Jahre später verstanden, dass das eine Samplecollage war und der gesamte Track aus Elementen anderer Platten zusammengesetzt war (u.a. Ennio Morricone, Bar-Kays, Afrika Bambataa, James Brown). Erstmal war das eine Musik die mich befreit hat, weil sie so anti-essentialistisch klang, so befreit von dem Rock- und Muckermief, der damals allgegenwärtig und auch für einen 13jährigen spürbar war. Ich habe dann bald angefangen sample-basierte Musik zu sammeln, natürlich auch HipHop, Techno, House und IDM.

Auf der Fachhochschule bin ich politisiert worden und habe mich dann sehr für Kommunikationsguerilla interessiert, eine politische Praxis, die in gewisser Weise mit dem Sampling verwandt ist, da sie mit semantischen und symbolischen Versatzstücken arbeitet, um die Kommunikationstrukturen des politischen Gegners zu entlarven. Daraus wurde dann auch mein erster Dokumentarfilm: Culture Jamming.

Du hast mit Collage culturel eine dreiteilige Dokumentation für ARTE Creative gedreht, in der Künstler und Musiker bei ihrem musikalischen Schaffensprozess begleitet wurden. Welche Rolle spielte bei ihnen der Remix, das Verwenden und Kombinieren von künstlerischen Werken Dritter?

Ich mache ja viele meiner Projekte deswegen, um ein Thema für mich abzuhandeln. Ende der Nuller-Jahre hatte das Thema Sampling einen Punkt erreicht, an dem eigentlich alle ästhetischen Möglichkeiten ausgereizt waren. Es war omnipräsent und hatte sich so tief in die DNA der Popmusik eingegraben, dass es fast nicht mehr wahrnehmbar war. Nicht auszudenken, dass es Ende der 1980er mal ein Skandal war, dass die „Sängerin“ von Black Box auf „Ride On Time“ gar nicht selber gesungen hatte. Dabei waren die Loleatta Holloway-Samples für jeden offensichtlich, der sich ein wenig mit Musik auskannte.

Mit Collage culturel wollte ich noch mal die Geschichte des Samplings (und der Collage) aufrollen, indem ich Künstler aus Musik, bildender Kunst, Mode, Literatur und Theater portraitiere und gleichzeitig ihre Wurzeln untersuche. Das Ganze sollte ja eigentlich eine fünfteilige Serie werden, aber daraus wurde dann leider nichts. Das Ziel von Collage culturel war – um es mal mit Wittgenstein zu sagen – eine Leiter zu bauen, mit der man über die Praxis des Samplings hinaussteigen und danach die Leiter wegwerfen kann. Um dann die Praxis quasi zu transzendieren. Damit meine ich, dass man jetzt nicht mehr ständig „Sampling, Sampling!“ rufen muss (wie z.B. Matthew Herbert), um eine avantgardistische Praxis für sich zu reklamieren, sondern dass es jetzt darum geht, dieses Tool selbstverständlich zu nutzen und zu neuen kreativen Ufern aufzubrechen. Ich träume ja immer noch von einem Track, in dem jede Note aus bis zur Unkenntlichkeit prozessierten anderen Tracks besteht. Und zwar so souverän wie die Dubstep-Produzenten heute mit den Sinustonverschiebungen von Stockhausen und Co. verfahren.

Auf welche Weise verwendest Du selbst Werke Dritter?

Collage culturel und Tous pour l’art bestehen zum größten Teil aus Musik und Bildern, die unter Creative Commons-Lizenz stehen. Meistens die BY, BY-SA oder Sampling-plus-Lizenz (die leider mittlerweile nicht mehr weiterentwickelt wird). Eine NC-Lizenz (für nicht-kommerzielle Nutzung) bringt mir als Künstler nichts, da ich ja meine Filme auch verkaufen muss, um sie zu finanzieren. Diese Lizenz macht Sinn für eine kreative Praxis als l’art pour l’art und ist als solche ganz in Ordnung. Auch wenn man seine Musik umsonst vertreiben will, macht die NC-Lizenz Sinn. Es gibt aber ein generelles Problem mit Creative-Commons-Lizenzen: Man spricht ja immer von einer Allmende, aber der wesentliche Sinn einer Allmende ist der, dass jeder Bürger sie zum Broterwerb nutzen kann. Das ist bei NC-Lizenzen nicht der Fall, sie verhindern es sogar. Natürlich möchte man aber auch nicht, dass andere die eigenen Kunstwerke (Literatur, Musik, Film) einfach weiterverkaufen. Dafür fand ich die Sampling-plus-Lizenz perfekt. Man kann etwas Remixen oder als Ausgangsbasis nutzen und es dann auch verkaufen, aber nicht einfach eine Kopie machen. Da fängt das Definitionsproblem aber natürlich schon an. Ich habe in der testcard #21 ausführlich über diese Problematik geschrieben, denn Text gibt es auch online.

Wurdest Du schon einmal abgemahnt oder hattest rechtliche Probleme wegen Deiner künstlerischen Tätigkeit? 

Na klar! Ich konnte auch Collage culturel nicht so wild und assoziativ machen wie ich eigentlich wollte, da das Urheberrecht da der Kreativität enge Grenzen steckt. Filme wie Copyright Criminals (siehe auch Vimeo-Embed), RIP – A Remix Manifesto, The Corporation oder Surplus – die alle mit der Fair Use-Klausel arbeiten – wären hierzulande undenkbar.

Für Culture Jamming habe ich einen Ausschnitt aus einer CNN-Sendung verwendet, in der der Künstler Hans Bernhard von ubermorgen.com auftritt. Hans Bernhard zeigt das Video in Museen und auf Screenings, da er der Ansicht ist, dass er der raison d’être der Sendung war (was auch stimmt). Ich habe bei CNN angefragt und sollte circa 1000 Euro für den Ausschnitt zahlen. Als ich verhandeln wollte, wurde ich regelrecht angepöbelt und die Benutzung wurde mir untersagt. So musste die TV-Fassung leider ohne diesen schönen Ausschnitt auskommen. Die Klärung von Rechten nimmt einen nicht unerheblichen Teil der Vorproduktion einer Dokumentation ein. Man kann zum Beispiel nicht eine(n) Protagonist_in filmen, der/die im Auto sitzt und Radio hört. Eine Faustregel besagt, wenn die Musik über einen Bildschnitt hinaus hörbar ist, dann ist es ein lizenzpflichtiges Gestaltungsmittel. Jan Jelinek hat dieses Thema in seinem Projekt „Gesellschaft Zur Emanzipation Des Samples“ ganz schön kommentiert.

Was hältst Du von der Idee, ein vergütetes Recht auf Remix einzuführen?

Das hängt ganz davon ab, ob es außer den Algorithmen, die jetzt durchs Netz jagen, um Copyright Infringement aufzuspüren, auch solche gibt, die die tatsächliche Nutzung gerecht und transparent aufschlüsseln. Durch eine Pauschalvergütung würde nur das ungerechte Verteilungssystem der GEMA reproduziert. Die öffentlich-rechtlichen Sender zahlen zum Beispiel GEMA-Pauschalen, was sicherlich nicht die tatsächliche Nutzung von Musik im TV und Radio abbildet. Den Ansatz mit der Bagatellschranke finde ich super, ich bräuchte für meine Arbeit aber eine Lösung für die kommerzielle Nutzung. Solange es noch kein Grundeinkommen gibt, bin ich als Künstler absolut darauf angewiesen eine Geschäftsgrundlage zu haben, wenn ich wem auch immer meine Werke anbiete. Wenn das Netz von kostenlosen Inhalten überschwemmt wird, profitieren vor allem Content-Provider wie youTube, die sich über all den kreativen Content freuen, für den sie nicht zahlen müssen. Natürlich ist das auch eine kommerzielle Nutzung, aber da gibt es derzeit offensichtlich Gesetzeslücken und eine Praxis der Verwirrung.

Zum Abschluss, was ist Dein persönlicher Lieblingsremix?

„Sexy Bits“ von DJ Food, im Remix von Autechre. Der Witz bei dem Remix ist, dass „Sexy Bits“ gar kein Track ist, sondern eine Sammlung von Sample-Bits, die DJ Food auf ihre Jazz Breaks-Serie gepresst haben. Autechre haben das Hintergrundgeräusch einer Anrufbeantworteraufnahme genommen, die circa 2 Sekunden lang ist. Das haben sie geloopt, wahrscheinlich ein wenig meditiert und dann einen Track darum gestrickt. Das zeigt das ganze Potential eines Remix und das Wesen von kreativer Arbeit. Ich finde die Idee schön, dass der ganze Track von Autechre schon in dem „Sexy Bit“ enthalten war und nur noch herausgeholt werden musste. Manchmal inspiriert einen schon ein Foto oder ein Geruch oder ein kurzes Geräusch zu einem Kunstwerk. Ich habe auch einen Roman geschrieben, der von einem einzigen Foto ausgelöst wurde. Plötzlich war die Grundidee da, der Rest ist dann Fleißarbeit.



Georg Fischer in Interview
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