Auf dem Weg zu einem Urheberrecht für das 21. Jahrhundert: Ideen für eine zukünftige Regulierung kreativer Güter
Till Kreutzer ist Rechtsanwalt und Redakteur bei iRights.info. Dieser Text erschien zuerst in Wirtschaftsdienst – Zeitschrift für Wirtschaftspolitik 10/2012 und iRights.info. Wegen der Verlagsvereinbarung bei der Erstveröffentlichung (Springer Wissenschaft) bleiben alle Rechte vorbehalten. Wir übernehmen den Text mit freundlicher Genehmigung.
Das Urheberrecht kann die Rechteinhaber derzeit nicht effektiv schützen. Es müsste gründlich reformiert werden, um Kreativen zu ihrem Recht, das weniger durch Privatnutzer als vielmehr von Verwertern beschnitten wird, zu verhelfen. Dafür sind kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen nötig.
Das Urheberrecht ist heutzutage eines der umstrittensten Regelungsgebiete überhaupt. Längst hat es den Weg heraus aus den reinen Fachdiskursen in die öffentliche Diskussion gefunden. Auffallend ist, wie das Urheberrecht die Gemüter erhitzt, wie sehr es zu Auseinandersetzungen in einem Ausmaß führt, dass bereits von „Copyright Wars“ die Rede ist. Regelungsvorhaben, wie der Stop Online Piracy Act (SOPA) und der Prevent Internet Piracy Act (PIPA) in den USA oder das sogenannte Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) haben weltweit hunderttausende Menschen dazu gebracht, auf die Straße zu gehen.
Schriftsteller und Journalisten oder Drehbuchautoren schließen sich in Initiativen zusammen, die in Tageszeitungen Respekt vor dem Urheberrecht fordern. Die von ihnen als Piraten und Raubkopierer bezeichneten Bürger schlagen mit Kampfbegriffen wie „Content-Mafia“zurück, maskieren sich als „Anonymous“ und attackieren mit DoS-Attacken die Server der GEMA oder machen ihrem Unmut über das politische Establishment Luft, indem sie die Piratenparteien in vielen europäischen Ländern in die Parlamente wählen.
Die Frage ist, wie es zu einer derartigen Eskalation in Bezug auf ein Thema kommen konnte, das jahrhundertelang nur im Fachdiskurs eine Rolle spielte. Hätte man vor 15 Jahren eine Volksbefragung über das Urheberrecht durchgeführt, wäre im Zweifel herausgekommen, dass weniger als zehn Prozent der Menschen überhaupt wissen, dass es so etwas gibt, geschweige denn, was es damit auf sich hat. Das hat sich mit dem Aufkommen und der Durchsetzung des Internets als Kommunikationsmedium spätestens durch die Evolution zum „Web 2.0“ schlagartig geändert.
Der Bedeutungswandel des Urheberrechts
Der wesentliche Grund für die massiven Auseinandersetzungen über das Urheberrecht ist dessen Bedeutungswandel, dem bislang in keiner Weise durch gesetzliche änderungen Rechnung getragen wurde. Das Urheberrecht entstammt in seinen Grundzügen und wesentlichen Ausprägungsformen aus Zeiten, in denen es nur Wenige anging. Entsprechend wurde es als reine Fachmaterie konzipiert. Die Regelungsmechanismen des Urheberrechts sind auf spezielle Regelungsadressaten zugeschnitten, wie professionell agierende Unternehmen (Musik-, Filmindustrie, Verlagswirtschaft etc.), spezialisierte Verwertungsgesellschaften und durch Anwälte und Manager vertretene, professionelle kreativ Schaffende. Diese Konzeption war funktional, solange Privatnutzer vom Urheberrecht nicht betroffen waren.
Diese Beschreibung ist etwa bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts zutreffend. Bis dahin waren Privatpersonen schon rein faktisch nicht in der Lage, urheberrechtlich geschützte Werke im urheberrechtlichen Sinn zu nutzen, da es an Reproduktions- oder gar Verbreitungstechnologien in den Haushalten fehlte. Die Bürger konnten lediglich Bücher und Zeitungen lesen, Musik hören oder Filme anschauen. All dies sind Handlungen, die das Urheberrecht nicht erfasst, da der eigentliche „Werkgenuss“ keine urheberrechtlich relevante Nutzung darstellt.
Erst mit dem Aufkommen erster Vervielfältigungstechnologien wie zunächst der Tonbandgeräte kamen Privatpersonen in Berührung mit dem Urheberrecht. Auch private Kopien waren jedoch noch eine ziemlich lange Zeit so einfach zu handhaben, dass der Nutzer gar nicht merkte, dass es ein Urheberrecht überhaupt gab. Der Gesetzgeber bediente sich einer ebenso sachlogischen wie genialen Konstruktion: Man schuf die sogenannte Privatkopierschranke, die alle Nutzungen abdeckte, zu denen Verbraucher zu jener Zeit in der Lage waren (Musik aufnehmen, Fotokopien anfertigen und so weiter).
Um die Rechteinhaber hierfür zu entschädigen, erfand man die Geräte- und Leermedienabgaben, bei denen ein kleiner Teil des Kaufpreises von Vervielfältigungsgeräten über Verwertungsgesellschaften an die Rechteinhaber abgeführt wird. Weder bemerkte der Nutzer dies, noch konnte er diese mittelbaren Kompensationssysteme umgehen. Urheberrechtsverletzungen waren dem Bürger mit anderen Worten kaum möglich.
Das Urheberrecht betrifft heute jeden
Die Relevanz des Urheberrechts für Privatpersonen änderte sich schlagartig mit der Verfügbarkeit von Internet-Anschlüssen für private Haushalte. Durch allgegenwärtige Digitaltechnologien wie Computer und Mobiltelefone und deren Anschluss an das Internet kann mittlerweile annähernd jeder Mensch nicht nur Nutzer und Urheber, sondern auch Produzent und Vertreiber sein. Von diesen Möglichkeiten machen Millionen von Menschen jeden Tag Gebrauch. Sie machen Fotos und stellen sie ins Internet. Sie nehmen Fotos von anderen Webseiten und laden sie in ihre Blogs und Webseiten ein. Sie laden Texte, Musik oder Filme aus dem Netz herunter, gestalten digitale Kollagen, Bildbearbeitungen, Heim-Videos, Remixes und Mashups und laden sie bei Youtube, Flickr oder Rapidshare hoch, um sie anderen zu zeigen oder sie zu teilen.
Mit der viel beschworenen „Gratis-Mentalität“ hat das nichts zu tun. Im Prinzip tun die Menschen, was sie immer taten: Sie sind kreativ und kommunizieren darüber, tauschen sich mit anderen aus und teilen, was sie entdeckt oder geschaffen haben. Verändert haben sich lediglich die technischen Mittel, mit denen diese kulturellen und sozialen Praktiken ausgeübt werden können. Der Dateiaustausch über Filesharing-Netze entspricht – auch wenn die Auswirkungen für die Rechteinhaber sehr viel schwerwiegender sein mögen – als Verhaltensschema dem sharingvon selbst aufgenommenen Musiksamplern auf Leerkassetten, die auf dem Schulhof getauscht wurden. Anders als dort muss jedoch beim Online-Teilen und -Kommunizieren das Urheberrecht beachtet werden.
Diese Ausweitung des urheberrechtlichen Anwendungsbereichs führt naturgemäß zu erheblichen Friktionen. Einerseits ist es evident, dass Schwierigkeiten auftreten müssen, wenn Gesetze für Profis mit einem Mal von jedermann befolgt werden müssen. Nicht weniger offensichtlich ist (eigentlich) auch, dass die Wertungen einer gesetzlichen Regelung überdacht und neu geordnet werden müssen, wenn deren Adressatenkreis in kurzer Zeit von einer hoch spezialisierten, sehr kleinen Zielgruppe auf Millionen oder gar Milliarden von Privatpersonen ausgeweitet wird.
Einseitiger Fokus auf Rechtsdurchsetzung
Der Umstand, dass das Urheberrecht bislang weit davon entfernt ist, diese beiden Aspekte angemessen zu berücksichtigen, ist der Hauptgrund für die oben beschriebenen „Copyright Wars“. Weder ist bislang auch nur der geringste (politische) Wille dafür erkennbar, die neue soziale Funktion des Urheberrechts und die hiermit einhergehenden Veränderungen der Interessenkonstellation anzuerkennen oder gar entsprechend zu handeln. Noch gibt es Hinweise auf politische Initiativen, das Urheberrecht, als das allgemeine Verhaltensrecht, zu dem es geworden ist, so stark zu vereinfachen, dass es als eine Art Straßenverkehrsordnung für das Internet dienen kann.
Die letzten circa 15 Jahre der Urheberrechtsentwicklung sind vielmehr durch gänzlich andere Motive geprägt. Aus Sicht des Urheberrechts (und der hiervon begünstigten Inhaber von Rechten) wurde das Internet von Anfang an stets nur als Bedrohung wahrgenommen. Die Politik beschäftigt sich seither (annähernd ausschließlich) mit der Frage, wie man „Online-Piraterie“ bekämpfen kann. Gerade auf internationaler Ebene gehen Reformüberlegungen zum Urheberrecht nicht dahin, das System zu optimieren und angepasste Regelungen zu entwickeln, sondern nur dahin, wie man das bisherige Urheberrecht besser durchsetzen (Englisch: „to enforce“ = „erzwingen“) kann.
Dabei ist es doch offensichtlich, dass ein Recht, das millionenfach erzwungen werden muss, grundlegende Defizite aufweist, die nachhaltig nur durch konzeptionelle änderungen behoben werden können. Dies wird jedoch auf politischer Ebene und in Kreisen der Lobbyisten der Kreativwirtschaft offensichtlich ebenso wenig registriert, wie die Tatsache, dass nachhaltige änderungen allen Beteiligten dienen und für alle unbedingt erforderlich sind.
Viele Urheberrechtswissenschaftler sind sich vor diesem Hintergrund einig, dass es mit Detailverbesserungen im Urheberrecht nicht getan ist. Ein Urheberrecht für das 21. Jahrhundert muss eine Vielzahl von Interessen ausgleichen. Es muss ebenso die Interessen derjenigen berücksichtigen, die mit ihren geistigen Schöpfungen oder Produktionen Geld verdienen und Investitionen amortisieren wollen, wie die Interessen der Allgemeinheit. Gerade letztere sind äußerst vielfältig und diffizil, werden hiermit doch so unterschiedliche Aspekte wie die Informations- und Kommunikationsfreiheit oder der Schutz der Privatsphäre, das Interesse an Bildung und Forschung, der Vermittlung von Kunst und Kultur, einer florierenden Kreativwirtschaft, Arbeitsplätzen und vielem mehr adressiert.
Der Status quo im Urheberrecht
Bevor man sich die Frage stellt, wie das Urheberrecht angepasst werden muss, um den Anforderungen der Informationsgesellschaft dienen zu können, ist es entscheidend, sich die Situation noch einmal genau vor Augen zu führen.
Nach geltendem Recht ist sehr viel von dem verboten, was den Menschen (technisch) möglich ist. Von Privatpersonen wird erwartet, dass sie sich dessen bewusst sind, ihre technischen Möglichkeiten und persönlichen Bedürfnisse nicht ausleben und sich rechtstreu verhalten. Weil sie das weder können noch wollen, werden sie zu Tausenden abgemahnt und verklagt. Dies und andere Umstände haben dazu geführt, dass das Urheberrecht als äußerst ungerecht empfunden wird. Ein massiver Akzeptanzverlust und weit verbreiteter „ziviler Ungehorsam“ in Form von Urheberrechtsverletzungen sind die Folge.
Gerade im Hinblick darauf, dass das Internet schwer zu kontrollieren und damit schwer zu erzwingen ist, sind das fatale Entwicklungen. Leidet ein Recht wegen eines Kontrollverlustes an Durchsetzungsschwierigkeiten, ist es umso mehr auf Akzeptanz angewiesen. Für nachhaltige Akzeptanz wiederum bedarf es eines Wertebewusstseins (und nicht, wie meist behauptet wird, eines Unrechtsbewusstseins)1 auf Seiten der Regelungsadressaten.
Urheberrecht braucht Akzeptanz
Zugespitzt könnte man sagen, dass es heute ein mehr oder weniger freiwilliger Akt ist, für Kopien von Musik, Filmen oder Software zu bezahlen. Annähernd jeder kreative Inhalt ist im Internet auch kostenlos zu bekommen.2 Das Rechtsverfolgungsrisiko ist, trotz des Versuchs flächendeckender Rechtserzwingung, gering, vor allem wenn man sich technisch auskennt.
In diesem Umfeld sind diejenigen, die in einem digitalen Zeitalter Geld mit der Zugänglichmachung kreativer Leistungen an den Endnutzer verdienen wollen (professionelle Urheber, Verlage, Musikunternehmen, Filmkonzerne, Softwareunternehmen und so weiter), ganz besonders darauf angewiesen, dass Nutzer es akzeptieren, für kreative Güter zu bezahlen. Diese Abhängigkeit wird weiter wachsen. Denn eines scheint sicher: Weder werden die alten Zeiten zurückkehren noch wird es in Zukunft wieder möglich sein, die Nutzer effektiv dazu zu zwingen, ein Urheberrecht einzuhalten, das sie ablehnen.
Umgekehrt ausgedrückt ist es naiv zu denken, dass man die Menschen im Internet mit rechtlichen Mitteln effizient daran hindern können wird, was die Technik ihnen ermöglicht. Ob man das gut oder schlecht findet, wird daran nichts ändern. Letztlich ist das Recht angesichts dieser Problemanalyse ohnehin oft nur Platzhalter für anders gelagerte Fragen. Auch grundlegende änderungen des Urheberrechts werden nicht dazu führen, dass die Veränderungen der Märkte und Nutzungsgewohnheiten aufgehalten oder gar zurückgedreht werden.
Der Ruf nach besseren Gesetzen lenkt in vielen Fällen allenfalls vom eigentlichen Problem ab. Die Antworten zu den eigentlichen Fragen, wie etwa, wie mit journalistischen Inhalten zukünftig Geld verdient werden kann oder es gelingen kann, den Musikmarkt wieder auf Erfolgskurs zu bringen, wird man hier jedoch nicht finden. Das Urheberrecht gibt zwar wichtige Rahmenbedingungen für den Markt vor. Es führt aber für sich genommen nicht dazu, dass auch nur ein Musikstück oder Buch mehr verkauft wird oder eine Person mehr ins Kino geht. Das wird auf dem Markt und über den Wettbewerb entschieden.
Regelungsansätze für ein modernes Urheberrecht
In Bezug auf die Optionen, die sich bei einer Neuordnung oder zumindest Anpassung des Urheberrechts bieten, ist es sinnvoll, zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Perspektiven zu unterscheiden. Grund für diese Priorisierung ist weniger die Dringlichkeit der jeweiligen Maßnahmen als vielmehr der Umstand, dass manche Maßnahmen mehr Zeit benötigen als andere. Hindernisse ergeben sich einerseits aus der unterschiedlich vorangeschrittenen politischen Willensbildung. Manche Probleme wurden bereits erkannt und für gewichtig erachtet und könnten daher in absehbarer Zeit lösbar sein. Andere sind bislang weitgehend unbekannt oder wollen nicht erkannt werden.
Noch wesentlicher als die politischen Hindernisse sind die juristischen. Das Urheberrecht ist vielfach in internationalen Verträgen und im EU-Recht geregelt. Nationale Reformen bedingen daher nicht selten, dass zuvor internationale oder europäische Vorgaben geändert werden. Und das ist ein schwieriger und zeitraubender Prozess.
Kurzfristige Maßnahmen
Besonders dringlich erscheinen derzeit mehrere Maßnahmen. Sie alle sind – da hier keine änderungen im europäischen oder internationalen Recht notwendig sind – kurzfristig umsetzbar.
Reform des Urhebervertragsrechts
Der Gesetzgeber sollte das sogenannte Urhebervertragsrecht weiterentwickeln. Das Urhebervertragsrecht dient vor allem dazu, den Urheber davor zu schützen, bei Verträgen mit Verwertern übervorteilt zu werden. Da der Urheber auf den Märkten mit kreativen Gütern zumeist der schwächste Teilnehmer ist, ist ein solcher Schutz von herausragender Bedeutung.
Der Gesetzgeber hat dies erkannt und das Urhebervertragsrecht in einer Urheberrechtsreform 2002 erheblich ausgebaut. Unter anderem wurde ein „Anspruch auf eine angemessene Vergütung“ eingeführt, der jedem Urheber das Recht verleiht, eine solche von seinem Vertragspartner zu verlangen. Bislang ist der Anspruch jedoch nur schwer durchsetzbar, insbesondere deshalb, da es Verbänden von Urheber- und Verwertervertretern in kaum einem Fall gelungen ist, sich auf „gemeinsame Vergütungsregeln“ zu einigen, in denen die Höhe der angemessenen Vergütung eigentlich allgemeinverbindlich festgelegt werden soll.
Das Gesetz sieht solche Vergütungsregeln zwar als selbstregulative Maßnahme vor, es fehlt lediglich an einer verbindlichen Vorgabe, sich auf solche in angemessener Zeit zu einigen. Dies wiederum ist ganz wesentlich für die Urheber, um den Anspruch auf angemessene Vergütung durchsetzen zu können: Bestehen keine allgemeinverbindlichen Regelungen müssen einzelne Urheber gegen ihren Verlag oder sonstigen Verwerter direkt vorgehen, um sich eine „angemessen Vergütung“ zu erstreiten. Angesichts der schwierigen Marktsituation, zum Beispiel bei freien Journalisten, ist das meist ein riskantes Unterfangen.
Das Gesetz bedarf diesbezüglich letztlich nur einiger Feinjustierungen, um mehr Verbindlichkeit für die Kontrahenten zu schaffen. Diese könnten im Zuge der nächsten Urheberrechtsreform (dem sogenannten Dritten Korb) vorgenommen werden.
Mehr Nutzungsfreiheiten für Kulturinstitutionen, Bildung und Wissenschaft
Bildungs- und Kulturinstitutionen (wie Museen, Archive, Universitäten, Schulen) klagen seit vielen Jahren darüber, dass sie ihrem jeweiligen öffentlichen Auftrag unter dem geltenden Urheberrechtsregime nicht mehr nachkommen können. Es fehlt vor allem an angepassten Nutzungsfreiheiten, die berücksichtigen, dass auch die öffentlichen Institutionen digitale (Online-)Medien einsetzen und einsetzen müssen. Der derzeitige Rechtsrahmen gestattet das nur sehr eingeschränkt und gehört daher dringend angepasst.
Ein Beispiel: Um das kulturelle Erbe zu erhalten und verfügbar zu machen, bedarf es heute äußerst aufwändiger und teurer Maßnahmen der digitalen Langzeitarchivierung. Um diese vorzunehmen, sind Eingriffe in das Urheberrecht unumgänglich. Analoge Werke müssen digitalisiert, digitale Werkstücke konvertiert, auf Servern und Backupsystemen redundant gespeichert werden und vieles mehr. Die Archivregelungen des Urheberrechts stammen von 1965. Sie sind in Bezug auf die Archivierung auf Kopien von Texten oder Fotos auf Mikrofiche oder per Fotokopie zugeschnitten und erlauben es daher lediglich „einzelne Vervielfältigungsstücke von einem eigenen Werkstück“ (einem Original) zu erstellen.
Viele der für die digitale Langzeitarchivierung erforderlichen Nutzungshandlungen sind daher nicht zulässig. Sollen sie dennoch vorgenommen werden, müssen nach geltendem Recht Verträge mit Rechteinhabern und/oder Verwertungsgesellschaften geschlossen werden. Dies wiederum ist aufgrund der Komplexität von Lizenzierungsprozessen in der Regel gar nicht möglich. Mit ähnlichen Problemen haben Schulen, Museen, Universitäten zu kämpfen.
Maßnahmen gegen den „Abmahnwahn“
Einer kurzfristigen und dringlichen Korrektur bedarf das Urheberrecht zudem in Bezug auf Massenabmahnwellen, die vor allem von der Musik-, Film- und Games-Industrie gegen Endnutzer wegen Urheberrechtverletzungen in „Tauschbörsen“ durchgeführt werden. Hunderttausende Privatnutzer werden jährlich wegen Up- und Downloads von teils einzelnen Dateien in solchen Systemen zu mitunter hohen Geldzahlungen gezwungen.
Eine solche Art der Rechtsdurchsetzung schadet der – wie oben beschrieben dringend notwendigen – Akzeptanz des Schutzes geistiger Leistungen massiv. Nach persönlichem Eindruck verstoßen gerade junge Leute mittlerweile oft gewollt gegen das Urheberrecht, weil sie derartige Maßnahmen als höchst ungerecht empfinden. Darunter leiden nicht nur die Gesellschaft und das Rechtsprinzip als solches, sondern auch die Kreativen und die Wirtschaft. Werden Urheberrechtsverletzungen als Akte zivilen Ungehorsams nicht nur toleriert, sondern sogar goutiert, wird das Schutzsystem früher oder später kollabieren.
Da dies in manchen Branchen offenbar nicht realisiert wird, hat der Gesetzgeber schon 2008 eine Regelung in Kraft gesetzt, die Massenabmahnungen unrentabel machen soll. Der erwünschte Eindämmungseffekt blieb aber bislang aus. Tatsächlich werden heute mehr Abmahnungen an Privatpersonen verschickt als je zuvor. Angesichts dessen hat das Bundesministerium der Justiz 2011 einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der Ahmahnwellen effektiver verhindern soll.3 Diese Reform liegt jedoch – wie auch eine Reihe anderer notwendiger Reformen des Urheberrechts – derzeit offenbar auf Eis.
Mittelfristige Maßnahmen
Vereinfachung des Urheberrechts
Der Abmahnwahn ist nur Ausfluss des tiefer liegenden Problems, dass Privatnutzer das Urheberrecht nicht verstehen und/oder nicht einhalten wollen. Um dem eigentlichen Problem zu begegnen, müsste das Urheberrecht stark vereinfacht oder – besser noch – ein Weg gefunden werden, den Privatnutzer als Regelungsadressaten aus dem Urheberrecht zu entfernen (wie es früher war) und nur noch als Zahlenden zu verstehen. Ein wie bisher konzeptioniertes Urheberrecht kann jedenfalls nicht funktionieren, wenn es sich unmittelbar auch an Privatpersonen richtet.
Eine derartige Vereinfachung des Urheberrechts mit dem Ziel, dass es als Straßenverkehrsordnung des Internets taugt, ist nicht möglich. Das Urheberrecht ist derart facettenreich, dass es für juristische Laien unmöglich sein dürfte, jede Regel einzuhalten, ohne dabei annähernd vollständig auf die eröffneten Nutzungsfreiheiten zu verzichten.4 Die Formulierungen des Gesetzestextes zu vereinfachen wird jedenfalls nicht ausreichen.
Privatpersonen werden in der Regel keine Gesetzestexte lesen. Interessanter sind daher solche Konzepte, die letztlich dazu führen, dass Privatpersonen gar nicht mehr gegen das Recht verstoßen können. Sie basieren auf der (alten) Grundidee, dass Handlungen von Privatpersonen generell gestattet sind und hierfür mittelbar pauschale Vergütungen entrichtet werden, die nicht umgangen werden können. Vorbild für solche Regelungssysteme ist das Modell der Privatkopie und der Geräte- und Leermedienabgaben.
Kulturflatrate
Die sogenannte Kulturflatrate beispielsweise ist ein Modell, nach dem jeder Inhaber eines Internet-Anschlusses eine zusätzliche Gebühr bezahlen soll, die (obligatorisch und unumgänglich) vom Internet-Provider auf die Anschlussgebühr aufgeschlagen wird. Im Gegenzug wird es Privatpersonen erlaubt, Dateien mit urheberrechtlich geschützten Inhalten online zu teilen. über die Kulturflatrate wird bereits seit Jahren in Wissenschaft und Politik diskutiert. Wie andere pauschale Vergütungsmodelle hat sie den Vorteil, dass alltägliche Handlungen erlaubt und ohne Umgehungsmöglichkeit vergütet werden. Der Nutzer muss – je nachdem wie die Regelung ausgestaltet wäre – keine Details des Urheberrechts kennen. Erlaubt ist, was gemacht wird und hierfür wird gezahlt.
Es gibt verschiedene Gründe, warum die Kulturflatrate in der politischen Debatte nicht so recht vorankommt. Politisch und juristisch betrachtet ist sie problematisch, da hierfür im Zweifel zunächst eine EU-Richtlinie geändert werden müsste. ökonomisch ist sie problematisch, weil nicht klar ist, wie sich der legitimierte Dateitausch auf die noch jungen Online-Geschäftsmodelle z.B. der Musik- und Filmindustrie auswirken würde. Gesellschaftspolitisch ist sie wie jede Pauschalgebühr (man denke zum Beispiel an die GEZ) problematisch, da viele Menschen zahlen müssten, die die hiermit eröffneten Möglichkeiten gar nicht wahrnehmen wollen oder können.
Andererseits gibt es auch gute Gründe für eine solche Lösung, vor allem angesichts des untragbaren Zustands, dass derzeit Millionen Menschen widerrechtliche Handlungen vornehmen, hierfür aber keinerlei Kompensation für die Rechteinhaber erfolgt, es sei denn, sie werden über drastische rechtliche Maßnahmen erzwungen. Bei allen Nachteilen des konkreten Ansatzes der Kulturflatrate ist das dahinterliegende Prinzip, den Privatnutzer in der Gleichung des Urheberrechts nur als Zahler, nicht aber als aktiven Regelungsadressaten zu verstehen, mittel- und langfristig betrachtet der richtige Ansatz. Diesem liegt das bereits mit Einführung der Privatkopierregelung (1966) anerkannte Prinzip zugrunde: „Vergüten, was man nicht kontrollieren kann, erlauben, was man nicht verbieten kann“. Insofern sollte das Augenmerk auch auf solche Modelle gerichtet werden.
Langfristige Maßnahmen: Umkehr der Zweckentfremdung des Urheberrechts
Das moderne Urheberrecht wurde seit jeher mit dem Schutzbedürfnis des Urhebers begründet. Das „geistige, persönliche Band“ zwischen Urheber und Werk solle geschützt und ihm eine Einnahmequelle verschafft werden. Getragen vom Zeitgeist der Spätromantik und der Aufklärung wurde das Urheberrecht rechtsphilosophisch so erklärt, dass es keiner Begründung oder Rechtfertigung bedarf. Es ist ein Naturrecht, das als „Geistiges Eigentum“ bezeichnet wird.
Bei genauerem Hinsehen entspricht das heutige Urheberrecht diesen Grundgedanken nicht mehr. Bei noch genauerem Hinsehen war das nie der Fall. Indes: Der Gedanke ist eigentlich sehr gerechtfertigt und sollte (wieder) fruchtbar gemacht werden. Man könnte überspitzt sagen, dass das Urheberrecht heute vor allem ein industriepolitisches Instrument ist, um Wirtschaftsinteressen durchzusetzen. Gegen den Schutz wirtschaftlicher Interessen über Immaterialgüterrechte spricht nichts, gegen die manipulative Verwendung von Argumenten und Begründungsschemata schon. Diese führen zu politischen Fehlentscheidungen und einer Verklärung der Sachlage.
Mit den Interessen der kreativ Schaffenden zu argumentieren, ist in der politischen und öffentlichen Diskussion naturgemäß von großem Vorteil. Was kann schon gegen ein Recht vorgebracht werden, das die Kreativen davor schützt, dass ihre Leistungen ausgebeutet werden, und das ihnen eine wirtschaftliche Existenzgrundlage schafft? Wer kann schon dagegen argumentieren, dass das Recht, das zunächst für nur 14 Jahre gewährt wurde, in regelmäßigen Abständen verlängert wird? Immerhin geht es hierbei doch darum, den Urheber und seine Erben finanziell abzusichern.
Dass es im Urheberrecht hierum letztlich nur sehr untergeordnet geht, zeigt sich vor allem an einem Umstand: Obwohl der Urheber schon immer auch und vor allem Schutz vor seinem Vertragspartner brauchte (dem Verleger, dem Filmhersteller usw.), war das Urheberrecht stets so ausgestaltet, dass er alle Rechtspositionen, die ihm Geld einbringen, mehr oder weniger vollständig abtreten konnte. Unter dem Diktat der Vertragsfreiheit wird es dem zumeist übermächtigen Verwerter überlassen, ob und wenn wie viel der Urheber von den Erlösen abbekommt. Nur das Persönlichkeitsrecht bleibt ihm, zumindest soweit wirtschaftliche Interessen des Verwerters hierdurch nicht übermäßig beeinträchtigt werden. Ein solches System ist nicht dazu geeignet (man könnte mutmaßen: auch nicht dazu bestimmt), um den Urhebern ein Einkommen zu sichern.
Urheber- und Verwertungsrechte entkoppeln
Die im Urheberrecht angelegte – vermeintliche – Schicksalsgemeinschaft zwischen Urheber und Verwerter ist ein Geniestreich der Kreativwirtschaft und wohl einer der größten Lobbyerfolge aller Zeiten. Sie ist der Grund dafür, dass in Urheberrechtsdebatten sehr erfolgreich kulturelle, romantische und moralische Aspekte vorgeschoben werden (können), obwohl es fast ausschließlich um reine Wirtschaftsinteressen, genauer darum geht, den Verlagen, Musik- oder Filmunternehmen weitergehende Monopole zur Gewinnmaximierung zu bescheren.
Diese Vermischung völlig unterschiedlicher Funktionen in einem „Urheberrecht“ führt zu massiven Ineffizienzen und dazu, dass der Blick auf die unterschiedlichen Interessen und Anforderungen an den Schutz kreativer Leistungen verstellt wird. Dies zu unterbinden ist eine der großen Herausforderungen und wichtigsten Ansatzpunkte für zukünftige Urheberrechtsreformen. Eine konzeptionelle Lösung läge darin, die Interessen von Urhebern und Verwertern regelungssystematisch zu trennen. Man könnte in diesem Zuge ein „richtiges“ Urheberrecht schaffen, das den Interessen der Kreativschaffenden tatsächlich gerecht wird (das z.B. als wesentliches Element neben den Persönlichkeitsrechten ein starkes Urhebervertragsrecht aufweist).
Neben das Urheberrecht wären spezielle Wirtschaftsrechte zu stellen, die gleichermaßen die wirtschaftlichen Interessen der Verwerter (Werkmittler) als auch einen funktionierenden Wettbewerb sichern. Anders als die heutigen Leistungsschutzrechte (die als „verwandte Schutzrechte“ stark an das Urheberrecht angelehnt sind, ohne dass eine Begründung hierfür ersichtlich wäre) wären Urheber- und Verwerterrechte grundlegend unterschiedlich auszugestalten; die hieraus fließenden Rechtspositionen müssten stark auf die Bedürfnisse des jeweiligen Rechteinhabers zugeschnitten sein.
Um kumulierende Rechte am gleichen Schutzgegenstand sowie eine erneute Vermischung der Rechtspositionen effektiv zu vermeiden, wäre dafür zu sorgen, dass das Urheberrecht und die hieraus fließenden Positionen nicht oder nur sehr eingeschränkt an Dritte abgetreten werden können. Eine Abtretung seiner Rechte durch den Urheber wäre nicht mehr nötig, wenn der Verwerter über ein eigenes Recht verfügen würde.5 Sie wäre auch nicht opportun, wenn man anerkennen würde, dass die urheberrechtlichen Rechtspositionen nur insoweit gerechtfertigt sind, als sie in den Händen des Urhebers liegen. Gerade hieran krankt das geltende System: Rechtspositionen, die dem Urheber aus Wertungsgründen zugestanden werden, können von einer anderen Interessengruppe ohne weiteres annektiert werden. Das sollte unterbunden werden.
Deutlich wird der Gedanke an einem einfachen Beispiel: Aus Sicht des Alimentationsinteresses des Urhebers erscheint es angemessen, ihm auch langfristig Ansprüche auf eine wirtschaftliche Beteiligung gegenüber jedem zu verschaffen, der mit seinem Werk Geld verdient. Da der Verwerter grundsätzlich nach marktwirtschaftlichen Kriterien operieren muss (wie jeder andere Unternehmer), sind solche Ansprüche auf seiner Seite jedoch im Zweifel nicht angemessen. Könnte der Urheber ihm – wie es nach geltendem Recht möglich ist – seine Ansprüche abtreten, würde diese Wertungsentscheidung aufgrund des strukturellen Machtgefälles sehr häufig unterlaufen. Daher ist die Abtretbarkeit rechtlich zu unterbinden.
Urheber- und verwertungsrechtliche Schutzdauer trennen
Ein anderes Beispiel, an dem sich zeigt, wie sinnvoll eine systematische Trennung von Urheber- und Verwerterrechten wäre, ist die Schutzdauer. Die geltende Schutzdauer für Urheberrecht beträgt für alle Werke 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers, was häufig auf einen Schutz von über 100 Jahren hinausläuft. Begründet werden können derart lange Schutzfristen letztlich nur mit den Interessen des Urhebers an einer Alimentation seiner Erben oder mit persönlichkeitsrechtlichen Belangen. Aus ökonomischer Sicht sind sie viel zu lang und führen – in Händen der Verwerter – zu Ineffizienzen, nicht zu rechtfertigenden Wettbewerbsbeschränkungen und Wohlfahrtsverlusten.
Um derartige Effekte zu verhindern, ohne dabei die Wertungen zugunsten des Urhebers zu unterlaufen, müsste gewährleistet werden, dass die Schutzdauer auf Seiten des Verwerters kürzer ist als beim Urheber. Wenn sich der Verwerter jedoch die Rechte des Urhebers durch Vertrag verschaffen kann, ist eine solche Trennung schwer denkbar.
Trennt man Urheber- und Verwerterrecht dagegen systematisch, ist es kein Problem, sie unterschiedlich auszugestalten. In Bezug auf die Schutzdauerfrage wäre es zum Beispiel naheliegend, die Rechte der Werkmittler ausschließlich nach ökonomischen Prinzipien zu berechnen und nur kurzzeitig zu verleihen oder gar von Registrierungspflichten abhängig zu machen. Ausschließliche Rechte könnten etwa nach dem Vorbild des Patentrechts nur solange gewährt werden, wie sie in ökonomischer Hinsicht effizient sind. Hierbei würde man sich im Zweifel an der üblichen Amortisationsdauer für die notwendigen Investitionen orientieren.6
Mit einer solchen systematischen Trennung von Urheber- und Verwerterrechten könnte die Zweckentfremdung des „Geistigen Eigentums“ rückgängig gemacht und im gleichen Zuge die Legitimationskrise des Urheberrechts beendet werden. Dies würde wiederum die Anerkennung des Schutzes kreativer immaterieller Güter fördern und die Bedeutungserosion – gerade im Hinblick auf die wichtigen Interessen des Urhebers – des Urheberrechts aufhalten.
Fazit
Wie das Urheberrecht der Zukunft aussehen soll, ist schwer zu beantworten. Derzeit ist die Forschung noch weitgehend mit der Problemanalyse beschäftigt. Aus wissenschaftlicher Sicht eindeutig ist, dass es nicht weitergehen kann wie bisher. Das Konzept des Urheberrechts ist – aus ökonomischer Sicht – stark auf das Geschäftsmodell ausgerichtet, Werkkopien herzustellen (Bücher, Schallplatten und so weiter) und sie in Umlauf zu bringen. Dieses Modell hat in Zeiten gut funktioniert, als solche Handlungen aufwändig, kompliziert und teuer waren und das Urheberrecht sich daher nur an ein sehr kleines Marktsegment professioneller Akteure richtete.
In einer Umgebung, in der es jedoch auch Privatpersonen (und jedem anderen) ohne weiteres möglich und zudem kaum zu kontrollieren ist, Werkkopien zu (ver-)teilen, noch dazu weltweit, stößt das Modell an seine Grenzen. Das Urheberrecht ist als Verhaltensrecht für den Bürger viel zu komplex. Es scheint undenkbar, es so zu vereinfachen, dass es zu einer Art Straßenverkehrsordnung des Internets wird. Will man die für alle Beteiligten untragbare Situation ändern, in der das Recht massenhaft verletzt wird und tagtäglich Millionen von Nutzungen ohne jegliche Vergütung für Künstler und Kreativunternehmen vorgenommen werden, bedarf es eines grundlegend überarbeiteten Regelungsansatzes. Ein solcher ist auch notwendig, um aus dem Urheberrecht endlich das Schutzrecht für kreativ Schaffende zu machen, das es eigentlich sein soll und angeblich immer sein sollte.
Fußnoten
- Ein Unrechtsbewusstsein an sich reicht nicht aus, wenn das Recht leicht umgangen werden kann. Allein der Umstand, dass etwas verboten ist, führt nicht dazu, dass die Regel befolgt wird, erst recht nicht, wenn Verstöße kaum verfolgt werden (können). Zum Ziel führt daher nur ein Wertebewusstsein, mit dem auch moralische Werte verknüpft sind. Erst wenn jemand das Gefühl hat, beim Verstoß gegen Rechte auch Unrecht zu tun, mit anderen Worten, wenn Wertebewusstsein und Regel in Einklang stehen, wird ein nachhaltiger Schutzeffekt erzielt.
- Menschen, die freiwillig Geld für kreative Güter bezahlen, tun dies weniger, um Zugriff auf das jeweilige Produkt zu erlangen (denn dieser ist auch kostenlos erhältlich). Zu zahlen bereit sind die Nutzer vielmehr für die Annehmlichkeit, gut strukturierte, angemessen bepreiste und vor allem mit großem Angebot ausgestattete Dienste verwenden zu können. Die Aufgabe der Anbieter liegt darin, Werte zu vermarkten, die nicht kopiert werden können. Solche immateriellen Werte können z.B. sein: Unmittelbare Verfügbarkeit, Personalisierung, Authentizität, Verkörperung (wie z.B. besonders edle Versionen von Musikalben oder Filmen oder Live-Auftritten) oder Auffindbarkeit (siehe Kevin Kelly: Better than free, 2008).
- Siehe z. B. Süddeutsche.de v. 3.11.2001: „Justizministerin sagt Abmahn-Industrie den Kampf an„.
- Gemeint ist: Rechtsverletzungen könnten natürlich theoretisch dadurch vermieden werden, dass diejenigen, die nicht genau wissen, was erlaubt und was verboten ist, keine urheberrechtlich relevanten Handlungen mehr vornehmen. Schon allein die Frage, was urheberrechtlich relevant ist und was nicht, überfordert die meisten Privatpersonen und „Nicht-Fachleute“ jedoch regelmäßig. Dies zeigt sich deutlich an der unermesslichen Vielzahl und Vielfalt der heute stattfindenden Urheberrechtsverletzungen.
- Stünden dem Urheber etwa unverzichtbare gesetzliche Ansprüche auf Erlösbeteiligung zu, bedürfte er nicht einmal einer vertraglich vereinbarten Beteiligung. Die gesetzlichen Ansprüche könnte man so ausgestalten, dass hiervon vertraglich nicht nach unten, sondern nur nach oben abgewichen werden kann. So könnte das Verhandlungsungleichgewicht zwischen Urheber und Verwerter ausgeglichen werden.
- Am Beispiel der Schutzdauerfrage zeigt sich, dass die Forschung in Bezug auf Langzeitperspektiven bei der Urheberrechtsregulierung noch sehr am Anfang steht. Vgl. T. Kreutzer: Das Modell des deutschen Urheberrechts und Regelungsalternativen, Baden-Baden 2008, S. 478 ff.; sowie den Abschlussbericht des Forschungsprojekts „Co:llaboratory – Regelungssysteme für informationelle Güter“, S. 59 ff. (PDF).
Dieser Beitrag erschien ursprünglich auf netzpolitik.org.
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