Sampling-Urteil des BGH: Zwei Takte Leistungsschutzrecht
Wenn Christoph Keese im Zusammenhang mit Urheberrecht jubelmeldet, dann verheißt das in der Regel für Internet und Internetnutzer nichts Gutes. Keese fühlt sich durch das jüngste BGH-Urteil zum Tonträger-Sampling („Metall auf Metall II“) in seiner Forderung nach einem Leistungsschutzrecht für Presseverleger bestätigt:
In der Begründung zum Regierungsentwurf für das Leistungsschutzrecht spielt die sogenannten „Metall auf Metall“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs eine wichtige Rolle. Sie handelt vom Tonträger-Sampling. Auf diese Entscheidung nimmt die Regierung ausdrücklich Bezug und begründet damit auch den Schutz auch „kleinster Teile“ eines Presseerzeugnisses. Heute hat der Bundesgerichtshof in einem weiteren wichtigen Urteil („Metall auf Metall II“) seine Auffassung bestätigt und bekräftigt. Danach erstreckt sich der Schutz des Leistungsschutzrechts für Musikproduzenten auch auf kleinste Teile.
Des einen Freud, des gemeinen Internetnutzers Leid. Der BGH setzt damit seine inzwischen völlig lebensfremde und remixkulturfeindliche Rechtsprechung fort. In der Pressemeldung zum Urteil heißt es als Begründung, warum selbst zwei Takte einer Rhythmussequenz des Titels „Metall auf Metall“ nicht einfach gesampelt werden dürfen:
Eine freie Benutzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings ausgeschlossen, wenn es möglich ist, die auf dem Tonträger aufgezeichnete Tonfolge selbst einzuspielen.
Zur Beurteilung der Frage, ob es möglich ist, eine Tonfolge selbst einzuspielen, stellt der BGH auf einen „durchschnittlich ausgestatteten und befähigten Musikproduzenten“ ab. Das Problem mit dieser Argumentation ist, dass sich „durchschnittlich ausgestattete und befähigte Musikproduzenten“ aber immer noch von durchschnittlichen Internetnutzern unterscheiden, die heute technisch zwar in der Lage sind, kleine Teile bestehender Werke zu samplen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen – deshalb aber eben noch lange nicht die Möglichkeit haben, die „Tonfolge selbst einzuspielen.“
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der BGH mit seiner Begründung ein Samplen auch dann untersagt, wenn dabei ein Werk entsteht, das zum Original „so großen Abstand hält, dass es als selbständig anzusehen ist“. Während es also auf Grund des Urheberrechts im engeren Sinn kein Problem wäre, zwei Takte zu samplen, verhindert es das Leistungsschutzrecht für Tonträgerhersteller – ein dem Urheberrecht verwandtes Schutzrecht.
Tatsächlich beweist das BGH-Urteil auf diese Weise vor allem zwei, der Einschätzung Keeses diametral entgegensetzte, Dinge:
- Die mit der Einführung von Leistungsschutzrechten verbundene Ausdehnung des urheberrechtlichen Schutzniveaus kann sehr weitereichende Folgen haben und ein lebensfremdes Urheberrecht noch alltagsuntauglicher machen, als es ohnehin schon ist.
- Da der BGH sein veraltetes „Metall auf Metall“-Urteil nicht revidiert sondern bestätigt hat, führt endgültig kein Weg mehr an einer gesetzgeberischen Lösung für Remixkultur, z.B. über eine Ausdehnung der Zitatschranke auf nationaler Ebene oder die Einführung einer Remix-Schranke auf europäischer Ebene, vorbei.
Mit anderen Worten: das BGH-Urteil liefert vor allem Argumente gegen ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage und für eine Reform des Urheberrechts.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich auf netzpolitik.org.
Leonhard Dobusch in Allgemein, Recht
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Schlagwörter: BGH, Gericht, Leistungsschutzrecht, Sampling, Tonträger
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