Stephen Colbert (Foto: David Shankbone, CC-BY-SA-3.0)
In der Serie “Remixer/in” geht es um Menschen und ihre Erfahrungen und Einstellungen zum Thema Remix und Remix-Kultur. Dieses Mal: Stephen Colbert.
Stephen Colbert, ursprünglich Fake-Korrespondent bei Jon Stewarts The Daily Show, dem Vorbild für die ZDF Heute Show, zählt als Host des The Colbert Report zu den bekanntesten US-Comedians. In seiner Show gibt er konsequent einen konservativen Talkshow-Host nach Vorbild des rechten US-Nachrichtensender Fox News und führt dessen Argumentationsweise mit Hilfe von parodistischer Zuspitzung ad absurdum. Bis zu einem gewissen Grad, ist das gesamte Sendungskonzept ein parodistischer Remix von konservativen Talkshow-Formaten.
Regelmäßig schafft es Colbert aber auch mit Remix im engeren Sinn zu überzeugen. So sorgte beispielsweise im August diesen Jahres eine – mittlerweile auf der Seite des Colbert Reports nicht mehr verfügbare – Parodie von Daft Punks „Get Lucky“ für Furore (siehe LiveLeak-Embed). Das Video war offensichtlich binnen 24 Stunden als Reaktion auf eine kurzfristige Absage eines Daft-Punk-Auftritts entstanden.
Andy Baio, einer der Gründer des XOXO Festivals, hat kürzlich ein Video von einem Vortrag veröffentlicht, der in sehenswerten 30 Minuten noch einmal fast all jene Dinge auf den Punkt bringt, die im derzeitigen Urheberrecht grundlegend falsch laufen.
Weil sich Andy Baio aber klarerweise auf die Situation in den USA bezieht, habe ich im folgenden noch einmal die zentralen Themen seines Vortrags aufgelistet und mit Links zu Blogeinträgen hier auf netzpolitik.org versehen, die sich mit den jeweiligen Themen auseinandergesetzt haben. Auf diese Weise wird zweierlei deutlich: Erstens, die genannten Probleme begleiten uns schon eine ganze Weile und werden sich nicht von alleine und auch nicht nur durch einfachere Lizenzierungsangebote lösen, wie die EU Kommission immer noch zu glauben scheint. Zweitens ist die Situation in Europa tendenziell noch schlechter als in den USA, obwohl es dort eine – wie Baio deutlich macht: unzureichende – Fair-Use-Klausel im Copyright gibt.
Urheberrecht, Internet-Memes und Remixkultur: Baio steigt mit Harlem Shake als dem jüngsten Beispiel für ein Internet-Meme ein, bei dem Rechteinhaber vom Verzicht auf Rechtsduchsetzung profitieren und gleichzeitig massenhaft kreative Potentiale breiter Bevölkerungsschichten aktiviert werden. Beobachten konnte man das auch schon am Vorgänger-Meme „Gangnam Style“: „Zur netzpolitischen Dimension von Gangnam Style„.
In der Regel verbreitet sich bei Internet-Memes (vgl. z.B. auch das Gangnam-Phänomen) nicht nur das Original, sondern es entstehen auch unzählige abgeleitete Werke. Eine schöne Auswahl von Technoviking-Remixes findet sich bei Know Your Meme, von denen auch das oben eingebettete Video stammt. Matthias Fritsch wiederum begann sich im Zuge des Technoviking-Memes stärker mit Meme-Kultur ganz allgemein auseinanderzusetzen und veröffentlichte beispielsweise 2010 einen Zusammenschnitt von Technoviking-Videos unter dem Titel „We, Technoviking„:
Das Video „Gangnam Style“ des südkoreanischen Rappers Psy ist bereits seit einiger Zeit das meistgesehene YouTube-Video aller Zeiten mit derzeit knapp 870 Millionen Views und man braucht kein Prophet sein um zu prognostizieren, dass es die 1-Milliarde-Marke knacken wird. Die Originalversion ist in Deutschland geblockt, es finden sich aber Kopien auf YouTube, die nicht gesperrt sind und mit Hilfe von Browser-Extensions wie zum Beispiel dem YouTube Unblocker lässt sich auch das Originalvideo ansehen.
Der virale Erfolg machte nicht nur Psy von einem südkoreanischen zu einem Weltstar, sondern hatte, wenn man der Wikipedia-Seite über Gangnam Style glauben darf, noch viel weitreichendere Konsequenzen:
Nach dem Erfolg des Musikvideos pocht Südkorea auf ein Anziehen der Nachfrage von Touristen aus aller Welt. Jayne Clark von der USA Today schrieb, dass Gangnam Style Seoul „auf der Reisekarte platziert hatte“. Die Fluggesellschaft British Airways kündigte an, ab 2. Dezember 2012 Flüge nach Seoul sechs mal die Woche anzubieten. Wegen des Gangnam-Style-Phänomens ist die Nachfrage nach Flugtickets „enorm“ angestiegen.
Auch die Musikindustrie profitiert, mit Gangnam Style hat sich das ganze Genre K-Pop am US-Markt etabliert und der Song selbst schaffte es auf Platz 1 in zahlreichen Verkaufscharts (auch in Deutschland).
In netzpolitischer Hinsicht ist Gangnam Style gleich in mehrfacher Hinsicht instruktiv. Klar ist, dass der Erfolg von Gangnam Style nicht mit der Durchsetzung von Urheberrechten zusammenhängt, eher im Gegenteil. Maßgeblichen Anteil am Erfolg hat der Verzicht auf die Durchsetzung von Urheberrechten, und zwar nicht nur was die Weitergabe der Originaldatei betrifft, sondern auch hinsichtlich der Erstellung von Remixes und Parodien. Dass ein Verzicht auf Durchsetzung durch den Rechteinhaber nicht gleichbedeutend mit Zugänglichkeit ist, beweisen allerdings die zahlreichen geblockten Parodien auf YouTube. Witzigerweise ist Gangnam Style Hitler in Deutschland nicht gesperrt:
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