Remixerinnen und Remixer des Jahres 2013: All together now!
In der Serie “Remixer/in” geht es um Menschen und ihre Erfahrungen und Einstellungen zum Thema Remix und Remix-Kultur. Dieses Mal: Die Remixer/innen 2013.
Ein guter Remix greift das Original auf, fügt eigene Gedanken hinzu, variiert und verfremdet, lässt aber das Ausgangsmaterial, die eigentlichen Künstler strahlen (#14), gelingt eine Balance zwischen der Wiedererkennung und neuen persönlichen Ausdrucksformen (#1). Ein guter Remix lässt in der Bearbeitung eine eigene kreative Leistung erkennen, die sich vom bloßen Zitat des Original klar unterscheidet (#20). Im Grunde nutzt bzw. abstrahiert ein guter Remix die Originalspuren so, dass das Original zu erkennen ist, der Remix aber gleichzeitig trotzdem wie ein neuer Track klingt, vom alten Charme vielleicht Teile beinhaltet, aber auch den (im besten Fall) unverwechselbaren Stil des Remixers unschwer erkennen lässt (#2). Und vor allem muss es grooven (#29).
Die gleichen Zutaten können unterschiedliche Ergebnisse produzieren (#23). Einige Remixes wollen auf rein visueller Ebene fesseln, andere mit Schenkelklopfer Humor unterhalten – und das ist gut so! (#5). Sobald ein Werk veröffentlicht wird, entzieht es sich mehr oder weniger der Kontrolle und geht im besten Fall in eine Art Allgemeingut über (#25). Musik materialisiert sich nicht mehr vorrangig in und mit der Produktion von abgeschlossenen Werken, sondern verkörpert Reflexionsweisen; es geht heute um Handlungen und Haltungen parallel zur Kunst. Dabei kann die Kunst (Remix) auch vom Werk (Original) distanziert, entkoppelt und/oder systematisch infrage gestellt werden (#7).
[Remixbürokratie]
Das Neue entsteht ausschließlich durch das Vorhandensein des Alten und der Kombination dessen. Die menschliche Neugierde ist dabei der Motor, der uns stets mit neuen Impulsen und Informationen versorgt, die uns als Werkzeuge und Grundlage für unser Denken und Handeln dienen (#1). Jedoch, damit das funktioniert, braucht es gegenseitigen Respekt für die Arbeit des jeweils anderen. Kein abwerten, kein verletzen. Remixes sollten mit kollegialem Geist und wechselseitiger Unterstützung zur Erschließung neuer Bereiche erstellt werden. (#31)
Das bestehende händischen System zur Lizenzklärung macht es so schwer, sample-basierte Musik legal zu veröffentlichen, dass die Mehrheit der Remixer ihre Arbeit kostenlos über das Internet verbreiten (#15). Oft werden die Lizenzkosten von den Gesampelten zu hoch angesetzt oder es kann auf einfachem Wege nicht eindeutig geklärt werden, wenn es mehrere Rechteinhaber an einem Stück gibt, wie zum Beispiel auf die Komposition (Urheberrecht) oder auf den wirtschaftlichen Ertrag des Tonträgers (Leistungsschutzrecht) (#9); natürlich in erster Linie aus rechtlichen Gründen und weil die Lizenz dafür zu erfragen einfach zu bürokratisch oder zu teuer sein kann (#17). Manchmal dauert das Procedere auch einfach zu lange, wenn es sich über mehrere Jahre zieht und ein Release deshalb nicht mehr finanziell tragbar wird usw. (#9). Das Ganze ist wirklich unlogisch und kontraproduktiv (#19).
Videos w[e]rden aus dem Netz gelöscht, weil die Rechte an den Originalen bei amerikanischen Filmstudios lagen (#6). Als Mashup Artist hat man große Probleme im Internet seine Tracks zu posten oder gar zu hosten. Soundcloud zum Beispiel erlaubt es normalerweise nicht (#19). Ein weiteres, kleineres Problem sind die Länder- und Mobilrestriktionen auf YouTube. Manchmal werden einige Videos in bestimmten Ländern blockiert und fast immer auf mobilen Geräten (#22).
[Recht auf Remix]
Ein anderes Beispiel ist der sehr tolle Sampling-Film “Sample: Not for sale” von Mike Redman, der leider nie öffentlich erscheinen oder aufgeführt werden kann, ohne dass rechtliche Schwierigkeiten zu befürchten sind. So zynisch das auch klingt, aber eine großartige Sampling-Doku wird wegen Sample-Clearing-Trouble niemals die Öffentlichkeit bekommen, die sie verdienen würde (#9). Dieser Rechtepoker findet seinen Höhepunkt, wenn die Erben ein Werk komplett vergraben und vergessen machen, die Aufführung und Bearbeitung untersagen (#13).
Ein „Recht auf Remix“ ist [dabei] in vielen Undergroundszenen ja schon lange wichtiger Motor für Neuerungen und Szene-legitim, wenn auch nicht legal. Man muss da nur nach Großbritannien blicken: Illegale Bootlegs, besondere, exklusive Remixes, Versionen von aktuellen Charthits – alles wird aufgenommen und in Form von Remixes in die eigenen musikalischen Codes übersetzt (#9). Im Club ist das egal, da wird es sowieso nicht aufgezeichnet oder verfolgt (#10).
Ein Recht auf Remix könnte [hier] ein Umdenken und eine Grunderneuerung unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft einleiten. Neue Technologie veränderte stets menschliches Verhalten und die Art und Weise unseres Zusammenlebens. Dies geschieht jedoch inzwischen in einem derart hohen Tempo, dass weder unsere politischen Institutionen, noch wir als Gesellschaft mithalten können. […] Eine Entkriminalisierung des natürlichen Kommunikationsverhaltens einer signifikanten Bevölkerungsgruppe, wäre die erste zu begrüßende Folge (#1).
Der Teufel schlummert wie immer im Detail. Fragen, wie weit die Vergütungskette geht, wie sich eine kommerzielle Nutzung definiert und ob eine Mindestgrenze Sinn macht, unter der keine Vergütung aufgrund von Irrelevanz stattfindet, müssen solide beantwortet werden. (#5). Wenn man nicht solche „Unternehmen“ wie die GEMA hätte, die sich einfach weigern ein ordentliches Warenwirtschaftssystem bereit zu stellen, wäre auch die Abrechnung in einem größeren Rahmen kein Problem (#14). Es wird Zeit, dass sich was ändert (#19).
[Der gesamte Text ist eine Collage von Auszügen aus Interviews mit Remixerinnen und Remixern, die 2013 für die Interviewserie im Rahmen der Initiative „Recht auf Remix“ befragt worden waren. Die Zahlen im Text verlinken die jeweilige Interviewquelle. Änderungen wurden durch eckige Klammern kenntlich gemacht. Die Interviews sind in voller Länge unter dem Stichwort „remixer/in“ verfügbar.]
Leonhard Dobusch in Interview
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Schlagwörter: Collage, Jahresrückblick 2013, Recht auf Remix, remixer/in
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